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Statusupdate: Die kanadische Bürokratie

Nach fast einem Monat wollen wir nun endlich wieder ein paar Beiträge veröffentlichen und euch erzählen, was uns in der Zwischenzeit so widerfahren ist. Hier erst einmal die Kurzfassung.

Eine kurze Zusammenfassung unserer letzten vier Wochen

Die ersten zwei Wochen seit unserer Ankunft in Kanada haben wir wie geplant bei unseren WWOOFing-Hosts verbracht. Die Wochenenden und Nachmittage konnten wir dabei teilweise für Ausflüge oder organisatorische Dinge nutzen.

Am 1. Juli ging es für uns dann weiter nach Montreal. Hier wohnten wir zunächst sieben Tage lang in einem Studentenwohnheim, welches während der Sommerferien als "Hotel" vermietet wird. Die ganze Woche in Montreal sollte uns dabei die Gelegenheit geben, uns ein wenig zu Erhohlen und die Stadt in aller Ruhe zu erkunden. Nebenher wollten wir uns auch um die Organisation dessen kümmern, was uns während unseres WWOOFings noch nicht möglich gewesen war.

Im Endeffekt verbrachten wir ungefährt zwei Drittel unserer ersten Woche mit der Organisation (hierzu gleich mehr). Wir beschlossen daher, unserren Aufenthalt in Montreal noch um drei weitere Tage zu verlängern und die geplanten Ausflüge nachzuholen, für die wir bisher noch keine Zeit gefunden hatten.

Die nächste Station auf unserer Reise war dann Québec City (im Gegensatz zur Provinz). Obwohl die Stadt streng genommen genau entgegengesetzt zu unserer eigentlich geplanten Reiseroute lag, hatten uns so viele Leute eine Besichtigung der Stadt emfohlen, dass wir den Umweg dafür in Kauf nahmen. In Québec verbrachten wir insgesamt zwei Tage.

Von dort aus fuhren wir dann in einer mehrtägigen Tour zurück durch Montreal und weiter bis nach Toronto, wo wir nun seit gestern sind. Auch hier sind wir wieder in einem Studentenwohnheim untergekommen, welches während der Sommermonate als Hotel Verwendung findet.

Nun aber zur kanadischen Bürokratie

Da alle Punkte dieser Zusammenfassung eigentlich einen eigenen Blog-Eintrag wert sind (und ihn dann bald auch hoffentlich bekommen), möchte ich diesen Beitrag primär der kanadischen Bürokratie widmen, welche unser Vorankommen während der letzten Wochen so stark erschwert hat.

Angefangen hat dabei alles an unserem dritten WWOOFing-Tag. Im Gegensatz zu den vorangegangenen Tagen fingen wir nicht gegen 9 Uhr mit der Arbeit an sondern wurden von unserem Host freundlicherweise nach Graby gefahren, damit wir dort unsere geplanten Erledigungen anstellen konnten.

Granby ist dabei eine kleinere oder größere Ortschaft, jenachdem welchen Maßstab man anlegt. Verglichen mit Städten wie Montreal oder Quebec ist es ziemlich winzig, aber zumindest ist es groß genug, dass es über alles wesentliche verfügt: Banken, Supermärkte, Parks, Geschäfte, Restaurants und - für uns besonders wichtig - ein Service Canada Centre.

In diesem Zentrum konnten wir unter Vorlage unserer kanadischen Arbeitserlaubnis unsere kanadische Sozialversicherungsnummern beantragen. Dies ging erfreulich unproblematisch und nach etwa 30 Minuten Wartezeit und 15 Minuten Bearbeitungsdauer hatten wir beide ein Papier mit unserer jeweiligen Versicherungsnummer in den Händen.

Unser nächste Stop war dann die Bank of Montreal, in welcher wir unter Verwendung unserer frisch beantragten Sozialversicherungsnummer jeweils ein Bankkonto eröffnen wollten. Es stellte sich jedoch heraus (nachdem wir einige Minuten in einer langen Schlange gewartet hatten), dass man für die Eröffnung eines Bankkontos einen Termin benötigte - der nächste Termin in dieser Filiale wäre in vier Wochen verfügbar. Da dies für uns keine Option war (die 4 Wochen sind ja jetzt noch nicht um), gab man uns zumindest noch den vermeintlich hilfreichen Tipp, man könne das Bankkonto auch online eröffnen.

Davon ein wenig ernüchtert verarbredeten wir uns mit unserem Host an einem Couche-Tard, wo wir noch jeweils eine SIM-Karte erwerben wollten, ehe wir uns auf den Rückweg zur Herberge machten. Mit der französischsprachigen Hilfe unseres Host, der beinahe zeitgleich mit uns an dem kleinen, tankstellenkiosk-artigen Geschäft ankam, gelang uns dies auch ohne größere Schwierigkeiten.

Als wir uns nach getaner Arbeit dann an den Online-Antrag für ein Bankkonto und an die Aktivierung unserer SIM-Karten machten, wurde uns allmählich die wahre albtraumhafte Gestalt der kanadischen Bürokratie bewusst:

Die SIM-Karten ließen sich trotz mehrerer Versuche mit keiner unserer deutschen Kredit- oder Debit-Karten aktivieren. Hierfür werde eine kanadische Karte benötigt, fanden wir schließlich über einen gut versteckten Teil der Website unseres neuen Mobilfunkanbieters heraus. Um jedoch ein Bankkonto zu eröffnen - und so eine kanadische Debit-Karte zu erhalten - brauchten wir, wer hätte es geahnt, eine kanadische Telefonnummer...

Dieses und ähnliche Spielchen wiederholte sich die nächsten Wochen das ein ums andere Mal: Um ein Auto in der Provinz Québec zu registrieren, erzählte uns die offizielle Website, benötige man zunächst den Nachweis über eine Versicherung. Eine entsprechende Versicherung würde man aber wohl kaum aufs Geratewohl abschließen, solange man das Auto noch gar nicht besaß.

Überhaupt sollte man eigentlich zum Kauf eines gebrauchten Autos ein solches bereits in seinem Besitz haben - andernfalls wäre man ja ewig damit beschäftigt, in der Metropolregion mit einem Fahrrad hin und her zu fahren. Ratet einmal, womit wir in unsen 10 Tagen Montreal 17 Stunden verbracht haben...

Um das einmal als Statement zusammenzufassen: Wir sind Deutsche. Wir haben in unserem Leben bereits eine eigene Wohnung gemietet, eine Krankenkasse gewechselt und mehrere Bafög-Anträge gemeistert. Soll heißen, wir sind mit der widersinnigen Logik und dem eigenen Tempo der Bürokratie vertraut - aber Kanada übertrifft das alles mit Leichtigkeit. Für ein Bankkonto braucht man die Social Insurance Number und eine Telefonnummer, für die Telefonnummer braucht man ein Bankkonto. Für einen Job braucht man natürlich beides und am Besten ein Auto. Für das Auto braucht man eine Versicherung, für die man wiederrum ein Auto braucht. Und für alles braucht man eigentlich eine feste Wohnadresse. Jeder will immer alles von dir wissen (ist es für eine Autoversicherung wirklich relevant ob ich als Zweitfahrerin gerade einen Job habe oder nicht?) und bevor das nicht dokumentiert wurde geht es nicht weiter. Außerdem ist es den einzelnen Mitarbeitern einer Behörde nicht möglich gesammelte Informationen unter einander weiter zu geben und wenn man dann schließlich alle Anforderungen erfüllt, kann es sein, dass es trotzdem nicht klappt.

Der erfreulichere Teil

Das Thema des Fahrradfahrens bietet nun aber zumindest eine gute Gelegenheit, um endlich zu dem erfreulicheren Teil dieses Beitrags überzuleiten. Es ist nämlich durchaus nicht alles kompliziert hier, man muss nur zuerst wissen, wie es funktioniert.

Fahrradfahren in Montreal zum Beispiel ist sehr kostengünstig mit sogenannten _Bixi_s möglich. Für eine monatliche Gebühr von etwa $20 kann man sich an einer beliebigen Station ein solches Bixi ausleihen, bis zu 45 Minuten damit fahren und es anschließend an einer beliebigen Station wieder abgeben. Vorausgesetzt natürlich dass die Abholstation nicht vollkommen leer ist und die Rückgabestation nicht vollkommen voll - ein Szenario, welches leider gelegentlich vorkommt.

Das Eröffnen eines Bankkontos ist auch gar nicht so schwierig, wenn man einfach einen Termin bei einer personell nicht ganz unterbesetzten Bankfiliale macht. Man muss nur ungefähr drei Stunden einplanen, bis alle möglichen finanziell relevanten und nicht relevanten Angaben von den gewissenhaften Bankmitarbeitern ins System eingeben wurden.

Sogar die Registrierung des Autos war dann - als wir schlussendlich eines gefunden hatten - doch verhältnismäßig unproblematisch. Ein Versicherungsnachweis wurde tatsächlich nicht eingefordert. Und auch die provinziale Steuer, welche eigentlich auf den Verkaufspreis eines Gebrauchtwagens fällig wird, kann bei Autos ab 10 Jahren umgangen werden, indem der Verkaufspreis als $1 deklariert wird. Dass direkt vor dem Tresen ein ganz anderer Betrag den Besitzer wechselt stört dabei auch nicht weiter.

Als einziges bisher ungelöstes Problem verbleibt für uns damit aktuell noch die Suche nach einer bezahlten Arbeitsstelle in Kanada. Bei den hiesigen Lebenshaltungskosten ist das leider früher oder später eine beinahe unumgängliche Notwendigkeit. Aktuell sind wir aber erstmal zufrieden mit den verschiedenen Hürden, die wir bereits bewältigt haben, und genehmigen uns erstmal ein paar Tage echte Erhohlung, bevor wir uns auch diesem Problem endgültig annehmen.

Für euch, liebe Leser, hat das dann hoffentlich auch den Vorteil, dass ihr in der nächsten Zeit nochmal etwas häufiger einen neuen Eintrag auf unserem Blog vorfinden werdet :)