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Fünf lange Tage in Singapur

Nach dem Chaos, der schwülen Hitze und den hartnäckigen Straßenverkäufern auf Bali, erscheint uns Singapur zunächst beinahe erholsam. Bei unserer Ankunft sind wir zwar ein bisschen nervös, ob wir wegen unserer kleinen Reiseapotheke aus Standardmedikamenten hier eventuell als Drogenhändler hingerichtet werden, aber nachdem uns der Sicherheitsmann lachend durchgewinkt hat, können wir uns entspannen. Der "Nachtteil" an dem reichen Stadtstaat ist, dass der allgemein hohe Lebensstandard mit allgemein hohen Lebenshaltungskosten einhergeht. Also tauschen wir unseren neu gefunden Luxus auf Bali wieder gegen ein kleines Budgethotelzimmer ein, das furchtbar nach kaltem Rauch stinkt und insgesamt angemessen ekelhaft ist. Außerdem ist der Chinese an der Rezeption irgendwie... unhöflich. Bald stellen wir fest, dass uns viele der Leute oder Servicekräfte irgendwie schroff vorkommen. Kann sein, dass es nur an dem gebrochenen Chinesisch-Englisch liegt, das in unseren Ohren sehr abrupt klingt oder an der Großstadt, aber nach der ganzen herzlichen Freundlichkeit in Ozeanien fühlen wir uns plötzlich ungut an unsere deutsche Heimat erinnert.

Lichtshow an der Bayfront

Abgesehen davon fühlt es sich gut an, in dieser verheißungsvollen, modernen und multikulturellen Stadt unterwegs zu sein. So gut wie alles ist mit der Bankkarte bezahlbar, auch die Metro, auf die man nie warten muss und die uns für wenig Geld durch die ganze Stadt fährt. Also flüchten wir direkt am ersten Abend aus unserem rauchigen Zimmer und fahren an die Bayfront. Von der Bahnhaltestelle gelangt man direkt in eine riesige Luxusmall, vollgestopft mit Dingen, die aussehen wie normale Kleidungsstücke oder Accesoires, aber das Zehnfache kosten, weil Chanel oder Prada darauf steht. Nachdem man die Mall durchquert hat, gelangt man an die Bayfront und kann sich die Zeit nehmen, den beeindruckenden Reichtum Singapurs in Form der riesigen Hochhäuser, der glitzernden Hotels und der ausgefallenen Architektur des ArtScience-Museumgebäudes zu bewundern. Außerdem gibt es jeden Abend eine vollautomatische und kostenlose Lichtshow im Hafenbecken zu bestaunen. Während die Vorstellung für Anwohner praktisch unsichtbar zu sein scheint, ist es für uns Touristen spektakulär.

Nach der Lichtshow fahren wir zurück in unser eher uncharmantes Viertel, wo die echten Leute leben. Auch hier gibt es nur Hochhäuser, aber die glitzern nicht. Singapur hat eine der größten Einkommensscheren weltweit, was umso deutlicher wird, wenn man von der Luxuswelt der Bayfront in ein normales Wohnviertel zurückkehrt und sich überlegt wie weit die Leute hier davon entfernt sind, sich mal eben eine Louis Vuitton Handtasche zuzulegen. Die schmalen Gehwege führen an zahllosen winzigen Geschäften vorbei und es riecht selten wirklich gut. Außerdem gibt es hier, wie auch sonst fast überall, unzählige Straßenrestaurant, teilweise freistehend und teilweise als Bestandteil eines Food-Courts. In solchen Restaurants essen zu gehen ist im Vergleich zu den sonstigen und vor allem zu den Lebensmittelpreisen sehr günstig. Für etwa 5 € bekommt man eine riesige Portion asiatisches Essen. Wie riesig wird uns klar, als ich leichtsinnigerweise eine große Portion Tom-Yum-Suppe bestelle. Am Morgen hatte ich das gleiche Gericht noch als vegetarische Nudelsuppe auf Bali bekommen, hier entpuppt es sich als eine große Salatschüssel voller Meeresfrüchtesuppe. Sehr lecker an sich, aber eindeutig für 4-5 Leute gedacht und die kleinen Tintenfische die darin herum schwimmen sind dann doch ein bisschen hart.

Little India und Chinatown

Am nächsten Tag sind wir unterwegs, um uns die beiden berümtesten Viertel Singapurs anzuschauen. Little India ist unser erstes Ziel und es enttäuscht uns nicht. Vermutlich handelt es sich um das dreckigste Viertel in ganz Singapur gemessen an der Menge Müll auf der Straße (eigentlich steht auf die unsachgemäße Entsorgung von Müll eine Strafe von 5000 SG$), aber sicherlich auch um eines der lebhaftesten. Wenn man irgendwo günstig Lebensmittel oder waren für den täglichen Gebrauch bekommt, dann vermutlich hier von einem der dicht gedrängten Marktstände. Viele der Frauen auf der Straße tragen prachtvolle, traditionelle Saris, Goldschmuck und einen Strang frischer Blumen in den zusammengefassten schwarzen Haaren. Für solche Blumenketten und leuchtend orange Blumengestecke gibt es eigene Geschäfte. Wem Blumen und Bananen nicht ausreichen, der kann sich hier nach Lust und finanziellen Möglichchkeiten mit goldenem Geschmeide eindecken. In manchen Straßen reihen sich Juweliere wortwörlich aneinander. Der oft pompöse Goldschmuck wird nach dem Grammpreis bezahlt - nachdem wir schließlich den aktuellen Goldpreis nachgeschaut haben, kann ich nicht anders, als alle Leute mit goldenen Accesoires fassungslos anzustarren und vor meinem geistigen Auge in wandelnde 500€-Scheine zu verwandeln. Statt Gold holen wir uns einen orginal indischen Mangolassie in einem der Foodcourts und schauen, was es noch so zu entdecken gibt. Es gibt einen reichlich mit bunten Figuren verzierten, verschlossenen Tempel und ein sehr hübsches buntes Haus. Das Haus ist chinesischen Ursprungs, aber jetzt eine Hauptattraktion für Little India und vermutlich die Vorlage für die Villa von Pippi Langstrumpf.

Chinatown gefällt mir von allen Stadtteilen, die wir gesehen haben, eindeutig am besten. Anders als in Chicago oder San Francisco handelt es sich nicht um einen großen Tourismusbasar oder eine Ansammlung chinesischer Restaurants, sondern um die Altstadt. Der Ort, an dem man in einer alten deutschen Stadt die Fachwerkhäuser und den kopfsteinpflasternen Marktplatz vorfinden würde. Es gibt bunte Häuserreihen, verzierten Fassaden, schmale Gassen, Cafés, aber auch die chinesischen Restaurants und die typischen Läden für Touristen auf der Jagd nach einem authentischen chinesischem Teeservice. Außerdem finden wir hier den ältesten Hindutempel der Stadt, von außen ebenfalls mit einer Armee bunter Figuren bestückt. Für Besucher in zu kurzer Sommerkleidung stehen bunte Tücher zur Verfügung, dann darf man eintreten und die überwältigende Brillianz der Farben im Inneren betrachten. Alles ist schreiend bunt, die Decke, die Altäre, die Statuen und die Porträts der Gottheiten an den Wänden.

Erschöpft fahren wir abends wieder zurück ins Hotel, wo unser Abendessen in Form der restlichen Tom-Yum-Suppe auf uns wartet.

Das ArtScience Museum

Leider ist der Eintritt in die verschiedenen Ausstellungen des ArtScience Museums nicht kostenlos, nicht mal günstig, trotzdem erstehen wir zwei Tickets für die Dauerausstellung Future World: Where Art Meets Science. Wir finden keine abstrakten Collagen aus Computerplatinen oder Skulpturen aus zweckentfremdeten Reagenzgefäßen vor, stattdessen hat das Ganze einen verspielten Charakter. Der erste Raum wird von einem interaktivem Wasserfall aus Licht durchflossen, wenn man an einer Stelle stehen bleibt, teilt sich das Wasser, um die Füße zu umfließen, und leuchtende Blumen sprießen auf dem Boden. Dann gibt es eine Kunstwerk, dass in Echtzeit den Anstieg des Meeresspiegels verfolgt und darstellt und gleich zwei Stationen, wo man eine Schablone ausmalen kann, das Bild einscant und einen neuen digitalen Freund an der Wand gewinnt. Durch einen Vorhang aus LED-Streifen, die man vom Handy aus ansteuern kann, verlassen wir die Ausstellung wieder. Nicht gerade riesig, aber spaßig.

Der Botanische Garten und die Gardens by the Bay

Weiter geht es zu einem unserer Lieblingsplätze in jeder Stadt: In den Botanischen Garten. Als wir ankommen, lässt der Regen gerade wieder nach. Also marschieren wir optimistisch hinaus auf das offene Feld, nur um kurze Zeit später ziemlich durchnässt zusammen mit einer Gruppe anderer Gartenbesucher auf das Ende des Wolkenbruches zu warten. Anschließend entdecken wir noch ein paar schöne Facetten des Gartens und begegnen einem ziemlich großen Waran bei dem Versuch, eine Schildkröte zu fressen. Später sehen wir die gleiche Echse entspannt in einem Kanal schwimmend und lernen, dass wir die Bekannschaft des Asian Water Monitors gemacht haben.

Am Abend fahren wir in die Gardens by the Bay, um uns die riesigen, künstlichen Bäume anzuschauen und die dortige Lichtshow zu genießen. Wir verpassen den Anfang und es ist so magisch, dass wir an unserem letzten Abend zwei Tage später wieder kommen, um die Show noch einmal ganz zu sehen. Es gibt in den Gärten außerdem zwei Gewächshäuser den Flower Dome und den Cloud Forest, die vermutlich auch ziemlich toll sind, aber gegen die Eintrittspreise ist das Ticket in das ArtScience Museum dann doch noch ziemlich günstig.

Wandern im Central Catchment Nature Reserve

Grünflächen, vor allem größere, sind eher eine Seltenheit in Singapur. Weil wir trotzdem gerne einen Tag im Grünen verbringen wollen, beschließen wir, ein paar Kilometer durch das Central Catchment Nature Reserve zu wandern. Der Park ist wirklich recht schön. Es gibt einen TreeTop-Walk, interessante Informationsschilder über Flora und Fauna entlang des Weges und wilde Affen. Obwohl unsere Wanderung nicht gerade lang ist, sind wir am Ende völlig fertig. Das ist aber auch nicht weiter verwunderlich in einem Klima, in dem ich persönlich nach drei Schritten auf der Straße das Bedürfnis habe, mich wieder hinzulegen.

Letzter Tag und Audi-Ausstellung

Es gibt tatsächlich eine Ausstellung im ArtScience-Museum mit kostenlosem Eintritt, nämlich die an diesem Tag neu eröffnete Audi-Ausstellung mit Namen House of Progress. Wir haben vermutlich eine Art von Hightech-Ausstellung über selbstfahrende E-Autos und Nachhaltigkeit in der Mobilitätsbranche erwartet. Was wir nicht erwartet haben, war eine Audi Verkaufsmesse. Am Eingang müssen wir uns beide registrieren und so subtile Fragen wie: Fahren sie ein Auto? Zufällig ein Audi? Haben sie vor sich in naher Zukunft ein neues Auto zuzulegen? Zufällig einen Audi? etc. beantworten. Nach Abschluss der Registrierung erhalten wir einen QR-Code, den die freundlich lächelnden Verkaufsassistenten jedes Mal einscannen wollen, bevor wir uns eines der insgesamt fünf high-end Audimodelle näher anschauen dürfen. Unser Urteil zu vier der fünf Autos ist sowieso eher unspektakulär: ein Auto. Ok, eines mit Elektromotor, irgendwelchen schicken Spielereien und außerhalb des Preisrahmens in dem wir uns jemals vorstellen könnten, ein Auto zu erstehen - aber eigentlich doch nur: ein Auto. Das letzte ist ein konzeptioneller Prototyp und eher so eine Art selbstfahrendes Limousinen-Raumschiff, mit einem projiziertem Display in der Front und einer künstlichen Topfpflanze.

Schneller als erwartet sind wir wieder draußen und haben noch fast den ganzen Tag vor uns. Irgendwie schaffen wir es, die ganze Zeit damit zu verbringen, in Singapur unterwegs zu sein, noch einen Mangolassie zu trinken und noch einen Tempel in Chinatown zu besichtigen, am Click-Art-Museum vorbei zu laufen, noch einmal in den Gardens by the Bay die Lightshow zu bewundern und abends nach 23.00 Uhr finden wir uns in dem mit billigem Zeug vollgestopfter Mustafa-Center auf der Suche nach einem günstigen Steckdosen-Adapter für Malaysia wieder. Den Adapter in der Tasche stellen wir anschließend fest, dass auch in Singapur die Metro nachts nicht mehr fährt. Schon wieder. Man sollte meinen, wir würden es lernen. Vor uns liegt also ein Fußmarsch zurück zum Hotel und eine sehr kurze Nacht, bevor es früh am nächsten Morgen mit dem Reisebus weiter geht nach Melaka, Malaysia.